Der Priester Eli auf seinem Stuhl

Der Priester Eli auf seinem Stuhl (1 Sam 1,9) – ein biblischer Impuls für kirchliche Präsenz im außerkirchlichen Raum

Die Gestalt des Priesters Eli beschäftigt mich schon seit langem und regt die Phantasie an. Während ich diese Zeilen schreibe (am Fest Christi Himmelfahrt 2023), ahme ich ihn gerade nach und sitze auf einem Hocker auf dem Bebelplatz im Kasseler Westen, hinter mir die imposante Rosenkranzkirche. Eli ist inzwischen sehr alt geworden. Die Missetaten seiner Söhne haben auch ihn in Schuld und Unheil verstrickt. Unsere Kirche lässt sich in ihrer aktuellen Situation allegorisch mit dieser Figur assoziieren. Möglicherweise sitzt Eli nur deshalb auf seinem Stuhl am Türpfosten des Tempels, weil er müde geworden ist, und weil der Tempeldienst bereits getan ist. Ich entdecke jedoch darin auch eine innere Haltung, absichtslos da zu sein, ohne etwas bewirken zu wollen. Alle Aufmerksamkeit richtet sich normalerweise auf den Tempel. Nichtsdestotrotz ist auch der Tempel letztendlich auf die Welt um ihn herum verwiesen, denn die Welt an sich ist der Raum, wo Gott am Wirken ist.

Das Samuelbuch zeigt uns Eli ein zweites Mal, wie er auf seinem Stuhl sitzt (1 Sam 4,13). Diesmal aber nicht am Türpfosten des Tempels, sondern an der Hauptstraße. Eli hat große Angst um die Bundeslade, die mit den Truppen auf einem Kriegszug unterwegs ist. Die Geschichte nimmt ein böses Ende. Die Gotteslade ist tatsächlich verloren. Eli kippt vor Schreck von seinem Stuhl und stirbt. So könnte auch heute die Sorge, wenn nicht sogar die Angst um die Zukunft unserer Gemeinden, wie wir sie bisher kennen, ein Motiv sein, das uns aus der Kirche auf die Straße treibt. Jesus aber kommt nicht mit einem Schreckensszenario, sondern mit dem Evangelium. Er sendet seine Freundinnen und Freunde aus, damit sie es zu den Menschen in die Städte und Dörfer bringen.

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